Zeitgleich mit den Arbeiten der nationalen Gesetzgeber wurden auf Europarechtsebene Min-deststandards entwickelt, die im November 2008 vom Ministerkomitee des Europarats als ¿European Rules for Juvenile Offenders Subject to Sanctions or Measures¿ (ERJOSSM) angenommen wurden. Deren Brisanz für die deutsche Gesetzgebung ergibt sich aus einem Urteil des BVerfG, das folgende Feststellung traf: ¿Auf eine den grundrechtlichen Anforderungen nicht genügende Berücksichtigung vorhandener Erkenntnisse oder auf eine den grundrechtlichen Anforderungen nicht entsprechende Gewichtung der Belange der Inhaftierten kann es hindeuten, wenn völkerrechtliche Vorgaben oder internationale Standards mit Menschenrechtsbezug, wie sie in den im Rahmen der Vereinten Nationen oder von Organen des Europarates beschlossenen einschlägigen Richtlinien oder Empfehlungen enthalten sind ¿, nicht beachtet beziehungsweise unterschritten werden ¿ (BVerfG NJW 2006, S. 2097). Damit ergab sich als zentrale Forschungsfrage der vorliegenden Arbeit, inwieweit die gesetzlichen Regelungen zum Jugendstrafvollzug mit den ERJOSSM übereinstimmen und ob sich aus verfassungsrechtlichen Gründen möglicherweise Handlungsbedarf ergibt, weil die nationalen Regelungen hinter den internationalen Standards des Europarats zurückbleiben.
Obwohl die Gesetzgebung zum Jugendstrafvollzug im Schrifttum vereinzelt analysiert und insbesondere im von Ostendorf herausgegebenen Handbuch2 (2009) auch vergleichend bewertet wurde, fehlt es bislang an einer umfassenden Überprüfung im Hinblick auf die internationalen Mindeststandards. Dieses Desiderat wird vom Verfasser aufgegriffen und bearbeitet.