Orpheus ist eine von zwölf 'Symphonischen Dichtungen', die Franz Liszt zwischen 1848 und 1858 komponiert hat. Liszt war davon überzeugt, dass diese Gattung eine höhere Form der Musikschöpfung darstellte. Den Ausgangspunkt bildet ein poetischer Gedanke (idée poétique), welcher es dem Komponisten gestattet, ganz klar dem Ausdruck vor der Form eine Vorrangstellung zu gewähren.
Liszts 'Orpheus' wurde am 16. Februar 1854 unter der Leitung des Komponisten aus der Taufe gehoben, und zwar anlässlich einer Aufführung von Glucks Oper 'Orpheus' in Weimar. Das Werk war speziell inspiriert worden durch die Betrachtung einer etruskischen Vase im Pariser Louvre, auf der Orpheus abgebildet ist als Symbol der Schönheit und der Zivilisation, wie er Dank der Wirkung seiner Kunst die Abscheulichkeit der Welt mildert.
Um 1860 macht der Lisztschüler Alexander Wilhelm Gottschalg (1827-1908) diese 'Symphonische Dichtung' zum Gegenstand einer eigenen ersten Orgelbearbeitung. Es scheint Anhaltspunkte dafür zu geben, dass Liszt selbst die tief greifenden Änderungen in dieser Fassung angeregt haben zu könnte. Dessen ungeachtet bleibt diese Fassung wenig befriedigend. Sie gibt gleichwohl zu der berechtigten Einschätzung Anlass, dass Liszt, der von diesem Werk auch eine Transkription für Klavier zu vier Händen angefertigt hat, gegen die Idee einer Orgelfassung offensichtlich nichts einzuwenden hatte.
Jean Guillou geht über den Anspruch einer schlichten Adaption hinaus, deren Vorgehensweise er hier ablehnt. Im Falle der romantischen Musik gilt es ihm, äquivalente Entsprechungen mit Blick auf die dramatische Rolle der Instrumentation zu finden, um eine Atmosphäre zu erzeugen, die derjenigen der Originalkomposition möglichst nahe kommt, das kontrapunktische Gewebe anzureichern und zur Belebung der orchestralen Schreibweise beizutragen.
Schwierigkeitsgrad: 5