Ein Meilenstein für Dirigenten, Wissenschaftler und Liebhaber des Oeuvres von Richard Strauss gleichermaßen: Im Rahmen des Editionsprojekts Richard Strauss Werke - Kritische Ausgabe (RSW) erscheint als dritter Band die erste kritische Ausgabe der 1888 komponierten Tondichtung Don Juan. Der Notentext wurde unter Berücksichtigung aller verfügbaren Quellen neu editiert und mit aufschlussreichen Faksimile-Seiten illustriert.
Über die Motive, die Strauss bewogen, nach Macbeth eine Tondichtung Don Juan zu komponieren, wissen wir nichts. Alle Vermutungen sind spekulativ: seien es Hinweise auf sein Liebeserlebnis mit Dora Wihan, auf die frühe Beziehung mit seiner späteren Frau Pauline oder auf seine Wertschätzung von Paul Heyses Trauerspiel Don Juan's Ende. Nicht sicher ist auch, welche Rolle Mozarts Don Giovanni in diesem Kontext spielte. Wir wissen lediglich, dass Strauss, wie der Untertitel des Stückes - "Tondichtung (nach Nicolaus Lenau) für großes Orchester" - belegt, auf die Hervorhebung Lenaus großen Wert legte und sich von Wilhelm Maukes Deutung, bei den in Don Juan geschilderten Frauengestalten handele es sich um "Zerlinchen", "die Gräfin" und "Anna", eher distanzierte. Wie auch immer: Die mythische Gestalt des rastlosen Verführers passte gut zu Liszts Forderung, Symphonischen Dichtungen bedeutende Stoff e zugrunde zu legen. Und vielleicht faszinierte Strauss auch das Potenzial des Sujets für eine Musik mit einer spezifischen Mischung aus Sonatenform ("männliches" vs. "weibliches" Thema) und Rondo (ein Held mit wechselnden Liebesepisoden). Gewiss dürft e dagegen sein, dass das Sujet im Münchner Freundeskreis diskutiert, möglicherweise sogar festgelegt wurde. Wie eng diese Gruppe, der unter der Führung Alexan der Ritters vor allem Ludwig Thuille, Friedrich Rösch und Arthur Seidl angehörten,7 mit den frühen Tondichtungen verbunden war, lässt sich daraus ablesen, dass Strauss die ersten vier derartigen Werke ausschließlich den Mitgliedern dieses Kreises widmete: Den Anfang machte Ritter (Macbeth), dann folgten Thuille (Don Juan), Rösch (Tod und Verklärung) und Seidl (Till Eulenspiegel).
- aus dem Vorwort des Herausgebers