Was ist aus dem Programm einer "Gesellschaftsgeschichte" geworden? Renommierte Autorinnen und Autoren ziehen Bilanz und eröffnen neue Perspektiven. Dabei entsteht ein lebendiges und differenziertes Bild von den Aufgaben moderner deutscher Geschichtsschreibung und von den möglichen Wirkungen von Geschichte in der Öffentlichkeit. "Gesellschaftsgeschichte" - dieses Schlagwort bezeichnet seit den 60er Jahren ein unter Historikern wie in der Öffentlichkeit kontrovers diskutiertes Programm: Es ging darum, die moderne deutsche Geschichte, nicht zuletzt die Geschichte des industriellen Zeitalters, von ihren sozialen und ökonomischen Grundlagen her zu beschreiben und nicht so sehr als Abfolge politischer Ereignisse oder des politischen Handelns "großer Männer". In den schon jetzt zu Standardwerken gewordenen Bänden der "Deutschen Gesellschaftsgeschichte" hat der Bielefelder Historiker Hans-Ulrich Wehler versucht, dieses Programm einer sozialgeschichtlich orientierten Gesamtsicht auf die neuere deutsche Geschichte in ebenso anspruchsvoller wie lesbarer Form einzulösen. Was ist aus den hohen Ansprüchen geworden, und welche Perspektiven ergeben sich daraus für eine zukünftige Geschichtsschreibung? Renommierte Autorinnen und Autoren wagen in diesem Band eine Bilanz, stellen kritische Nachfragen und lassen neue Problemhorizonte an der Schwelle zum 21. Jahrhundert deutlich werden. Wie kann die Gesellschaftsgeschichte die neue Herausforderung der Kulturgeschichte verarbeiten? Welchen Platz haben Emotionen und Gefühle in der Geschichtsschreibung? Wie läßt sich die Geschichte des 20. Jahrhunderts mit seiner Gewalthaftigkeit und seinen dramatischen Zäsuren historisch "auf den Begriff bringen"? Und kann ein anspruchsvolles Projekt wie Gesellschaftsgeschichte überhaupt noch in der Öffentlichkeit, in einem breiteren Publikum Interesse finden? Das sind nur einige der Fragen, denen in den Beiträgen des Bandes nachgespürt wird. Auf diese Weise entsteht ein anregendes und differenziertes Bild nicht nur von den Vorzügen und Grenzen der Gesellschaftsgeschichte, sondern von den Aufgaben und Problemen heutiger Geschichtsschreibung überhaupt.