Warum kommt es beim Menschen zur Herausbildung einer Persönlichkeit? - Das ist die grundlegende Frage der existenzphilosophischen Überlegungen Hannah Arendts, denen in diesem Band der Reihe EinFach Philosophieren nachgegangen werden soll. Hannah Arendt thematisiert damit die narrative Identität eines Menschen. Die Biografie bzw. die Lebensgeschichte rückt somit in den Blick der philosophischen Reflexion.
Das Unterrichtsmodell buchstabiert diesen existenzphilosophisch-biografischen Zugriff aus, indem mit der biografischen Fallanalyse ein praxistaugliches Konzept präsentiert wird, das an einem konkreten biografischen Fall exemplarisch zeigt, wie biografisches Philosophieren im Philosophieunterricht möglich ist. Somit können die Lernenden in die Lage versetzt werden, philosophische Kompetenzen auf nachvollziehbare und interessante Weise aufzubauen und zu vertiefen. Hierzu werden verschiedene Methoden miteinander kombiniert, die ein vielschichtiges, nämlich phänomenologisches, analytisch-hermeneutisches und narrativ-performatives Philosophieren im Unterricht ermöglichen, das etablierten Fachstandards wie Problemorientierung, Lebensweltbezug, Förderung der Urteilskraft sowie Anschaulichkeit und Abstraktion genügt.
Die Bausteine des Bandes dienen dazu, die einzelnen Schritte der biografischen Fallanalyse zu realisieren, dennoch können viele Elemente bzw. Materialien herausgelöst und in verschiedenen inhaltlichen Kontexten in den Fachunterricht integriert werden, z. B. die Fakten-Mind-Map und die Interessen-Concept-Map, das Kohärenzdiagramm oder die Primär- und Sekundärtexte zu Epikur, Aristoteles, Hannah Arendt und Jean-Paul Sartre. Der Band ist für den Einsatz in der Sekundarstufe II konzipiert und leistet einen umfassenden Beitrag zum Kompetenzerwerb der Lernenden.
Grundideen
Die Unterrichtsmodelle der Reihe EinFach Philosophieren bieten Bausteine für den Philosophie- und Ethikunterricht der Sekundarstufen I und II, die sich in zweierlei Hinsicht von den "herkömmlichen" Modellen und Materialsammlungen unterscheiden.
Erstens orientiert sich EinFach Philosophieren - ganz im Sinne moderner Curricula für den Ethik- und Philosophieunterricht - daran, philosophische Kompetenzen (weiter) zu entwickeln, etwa die Argumentations- und Urteilskompetenz oder die Kompetenz, Begriffe präzise zu definieren. Dabei wird nicht auf klassische philosophische Texte verzichtet, doch ist das Ziel nicht in erster Linie die Vermittlung mehr oder weniger kanonisierter philosophischer Theorien mittels entsprechender Textauszüge aus Werken der Philosophiegeschichte, wie es in vielen verfügbaren Schulbüchern üblich ist.
Zweitens liefert EinFach Philosophieren im Unterschied zu den meisten vorhandenen Unterrichtsmaterialien nicht nur sofort einsetzbare Kopiervorlagen, sondern bietet gleichzeitig einen umfassenden didaktischen Kommentar. Es wird eine Fülle von Anregungen für motivierende Einstiege, ergiebige Textarbeit, dem Unterrichtsinhalt angemessene Sozialformen, fruchtbare Diskussionen u. v. m. gegeben. Außerdem werden mögliche Schülerergebnisse antizipiert, so dass Lehrerinnen und Lehrer auch ohne zeitraubende Einarbeitung das Material sofort einsetzen können.
Die Gesamtstruktur der Hefte ist modular, d. h. es werden vielfältig einsetzbare Bausteine präsentiert, die keine lineare Unterrichtssequenz darstellen.
Didaktische Grundsätze
EinFach Philosophieren bedeutet nicht "philosophieren light", sondern ist eher im Sinne von "einfach losphilosophieren" zu verstehen, ausgehend von Alltagsintuitionen - in Anlehnung an Karl R. Poppers Auffassung, dass die wissenschaftliche Philosophie die Aufgabe hat, unsere vorhandenen Alltagsphilosophien kritisch zu untersuchen. Dies wird durch anregende Arbeitsaufträge und vielseitiges Material (Fallbeispiele, Bilder, Zeitungsartikel etc.) erreicht, das zunächst dazu dient, Alltagsintuitionen überhaupt bewusstzumachen, zu ordnen und präzise zu formulieren. Das Heranziehen von wissenschaftlich-philosophischen Texten erfolgt dann niemals als Selbstzweck, sondern stets vor dem Hintergrund eben dieser Intuitionen. Die Schülerinnen und Schüler gewinnen auf diese Weise Kriterien für die eigene philosophische Urteilsbildung.
Damit folgt EinFach Philosophieren der Überzeugung Kants, dass man das Philosophieren, nicht aber die Philosophie lehren könne.